Start Themen-Rundweg: Hauptbahnhof Tulln
Distanz: 3,6 km
Dauer: ca. 90 min.
Schwierigkeit: leicht - barrierefrei

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Stadtausfahrt oder: Egon und die Pferdekutsche

Hier erfahren Sie: Wo man zur Jahrhundertwende flanierte. Wohin Egons Vater seine Familie kutschierte. Weshalb die Tullner heimlich tuschelten. Und warum der Bahnhofsvorstand zu den Honoratioren der Stadt zählte.

Jahrhundertwende in Tulln. Die ehemalige Babenbergerresidenz erlebt einen neuen Aufschwung. Noch prägen Ochsen- und Pferdefuhrwerke das Stadtbild. Doch die Franz-Josefs-Bahn macht hier schon lange Station. Und jetzt wird auch eine eiserne Brücke über die Donau gebaut. Die 4.000 BürgerInnen der Bezirkshauptstadt geben sich weltmännisch. Im Sonntagsstaat flanieren sie über die Wiener Straße zum Hauptplatz, wo schon im Mittelalter fleißig gehandelt wurde. Man bewundert das Sortiment in den Auslagen der gutbürgerlichen Geschäfte, probiert die neueste Mode aus der Hauptstadt Wien. Und gönnt sich zum Abschluss einen Kaffee und ein Stück Torte in einer der kleinen Konditoreien.

Wiener Straße, um 1902

Respektperson in Uniform.

Die Familie Schiele hat in Tulln keinen allzu guten Ruf. Als Bahnhofsvorstand zählt Vater Adolf zu den Honoratioren der Stadt. Mit Uniform, Degen und Federhut unterstreicht er seine Position als Respektsperson. Wie seine junge Frau Marie, Tochter aus reichem Hause, fühlt er sich nur in feiner Gesellschaft wohl. Wenn die Schieles mit dem Pferdewagen durch die Wiener Straße zum Hauptplatz fahren, werden sie von allen Seiten gegrüßt. Das erfordert die Konvention. Doch nicht jeder Gruß wird erwidert. Darum tuscheln die Tullner hinter vorgehaltener Hand über die Arroganz der Zugewanderten, die erst seit wenigen Jahren in der Stadt wohnen. Und sich trotzdem schon für etwas Besseres halten.

Landschaftsimpressionen.

Ob die Schieles wohl wissen, wie hinter ihrem Rücken über sie geredet wird? Nach außen hin geben sie sich gelassen. Bei den Spazierfahrten mit der Pferdekutsche in Tullns Umgebung sammelt Vater Adolf nicht nur Schmetterlinge und Mineralien, sondern auch Impressionen für seine Landschaftsbilder. Freilich hat er nicht Egons Talent. Der beschreitet nämlich schon bei seinen ersten Portraits und Landschaftsbildern bislang unbekannte Wege. „Tabubrüche“ werden es hundert Jahre später die Schiele-Forscher nennen. Und daran erinnern, dass schon der junge Schiele einen ganz speziellen Blick auf die Welt hatte.