Start Themen-Rundweg: Hauptbahnhof Tulln
Distanz: 3,6 km
Dauer: ca. 90 min.
Schwierigkeit: leicht - barrierefrei

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Glaubenssache oder: Egon und das Aposteltor

Hier erfahren Sie: Was das Stadtbild von Tulln prägte. Warum zwölf Bischöfe im Volksmund zu Aposteln wurden. Was den Pfarrer empörte. Und wie sich Egon nach der Schule die Zeit vertrieb.

Fast fünfzig Meter sind sie hoch, die beiden mächtigen Türme der Stadtpfarrkirche in Tulln. In Egons Kindheit prägen sie das Bild der Stadt. Die Tullner müssen den Kopf weit in den Nacken legen, wenn sie beim sonntäglichen Kirchenbesuch zu den Turmspitzen hochschauen wollen. Doch meist bleibt ihr Blick ohnehin an den Pfeilern des Westportals hängen. Um 1200 wurden sie eingesetzt und mit den steinernen Büsten von zwölf Passauer Bischöfen geschmückt. Strenge Herren, die den Anspruch des Bischofs Wolfger von Erla auf sein Eigentum sichern sollten. Die Tullner wollen hingegen lieber die Begleiter Jesu darin sehen. Und nennen das imposante Westportal ihr „Aposteltor“.

Stadtpfarrkirche St. Stephan, um 1900

Pfarrersschelte.

Egons Vater zählt zu den Honoratioren der Stadt und bekennt sich zum katholischen Glauben. Er ist Ober-Offizial der Franz-Josefs-Bahn, eine Respektsperson in Uniform mit Federhut und glänzendem Degen an der Seite. In dieser gesellschaftlichen Stellung entspricht es den Gepflogenheiten, dass sich die ganze Familie im Sonntagsstaat zur Messe begibt. Für Egon und seine Schwester ist der Kirchenvorplatz vertrautes Terrain. Die Volksschulkinder verwandeln ihn nach den Schulstunden in einen Spielplatz. Da nützt es auch wenig, dass der empörte Pfarrer einen Beschwerdebrief an die Tullner Stadtgemeinde schickt. Tritt er aus dem Kirchenportal, laufen die kleinen Rangen einfach weg. Und genießen das Spiel mit der Gefahr.

Präziser Plan.

Egon ist selten dabei. Zwei Jahre hat ihn ein Hauslehrer unterrichtet, bevor er in die Volksschule kommt. Da ist es schwer, Freunde zu finden. Er malt und zeichnet ja auch lieber, als einem Ball nachzujagen. Auf dem Bahnhofsgelände ist er deshalb öfter anzutreffen als auf dem Kirchenplatz. Dort schult er seinen technischen Blick an den riesigen Dampfloks und den neumodischen Automobilen, die langsam Ochsenkarren und Pferdekutschen aus dem Tullner Stadtbild verdrängen. Jahre später belegen seine Skizzenbücher, dass hinter jedem Werk ein präziser Plan steht. Auch wenn man es vielen Bildern nicht ansehen wird.