Start Themen-Rundweg: Hauptbahnhof Tulln
Distanz: 3,6 km
Dauer: ca. 90 min.
Schwierigkeit: leicht - barrierefrei

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Kinderjahre oder: Egon und das Schaukelpferd

Hier erfahren Sie: Wieso Egon mit Puppen spielte. Was seine Mutter ihm aus Wien mitbrachte. Wie die Dampflok aufs Zeichenpapier kam. Und welche Bücher ihm sein Vater zu lesen gab.

Dass Kinder Zeit zum Spielen brauchen. Dass sie die Welt für sich selbst entdecken müssen. Dass sie keine kleinen Erwachsenen sind. Das ist im ausgehenden 19. Jahrhundert noch nicht in allen Köpfen verankert. In vielen Tullner Familien muss der Nachwuchs zuhause mithelfen, der Schulbesuch wird selten kontrolliert. Egon und seine Schwestern haben Glück. Vier Zimmer hat die große Dienstwohnung seines Vaters im Bahnhof. Genug Platz, um herumzutoben. Mit dem Schaukelpferd durchs Wohnzimmer zu reiten. Oder Eisenbahngarnituren über die Türschwellen fahren zu lassen. Egon hat vierzig davon. Von jedem Besuch in Wien bringt Mutter Marie ein neues Prachtstück mit. Nicht ganz uneigennützig. Denn wenn es nach dem Wunsch des Vaters geht, tritt Egon einmal in seine Fußstapfen. Und wird als Ingenieur Beamter der Kaiser-Franz-Josefs-Bahn.

Donaulände, um 1900

Die Welt begreifen.

Adolf Schiele öffnet schon früh die Bibliothek für seinen Sohn. Obwohl um 1900 die ersten städtischen Spielplätze in Tulln entstehen, mit Sandkästen, Schaukeln, Wippen und Ringelspielen, ist Egon nicht allzu oft mit seinen Klassenkameraden draußen unterwegs. Das kleine Malgenie ist eine Leseratte. Und die Bücherregale im Arbeitszimmer sind voll: Klassiker von Goethe bis Schiller, naturwissenschaftliche Bildbände und Reiseführer aus aller Herren Länder. Für seinen Vater ist die Literatur Mittel zum Zweck. Sie soll den Buben zum Ingenieurberuf hinführen. Für Egon ist sie das Tor zur Welt.

Technischer Blick.

Dennoch gelingt die Erziehungsmaßnahme. Wenn auch nicht ganz im Sinne des Erfinders. Beim Blättern in den Fotobänden und Fachbüchern bekommt Egon das erste wichtige Rüstzeug für seine Künstlerkarriere mit: den technischen Blick – und konstruktives Verständnis. Wenn er, hundertfach, immer neue Eisenbahnskizzen zu Papier bringt, sucht er trotzdem Vorbilder im realen Leben: Dann streift er mit seinem Zeichenblock durch die Tullner Bahnhofshalle. Und nimmt so das Hoheitsgebiet des strengen Vaters auf seine Weise in Besitz.