Mehr als ein halbes Jahrhundert reicht die Geschichte der Gartenstadt Tulln zurück. Am Beginn standen die in der Region angesiedelten Gärtnerbetriebe und die Idee der Gartenbaumesse. Schon früh spielten Nachhaltigkeit, ökologische Fragen und Umweltschutz eine wesentliche Rolle in der Stadtpolitik. Die Steigerung der Lebensqualität durch ökologische und technologische Innovation sowie Grünraumgestaltung im Stadtbild waren die erklärten Ziele, die es im Bewusstsein der BürgerInnen zu verankern galt. Die dafür über Jahrzehnte geschaffenen Elemente verbinden sich heute zu einem Gesamterlebnis und formen den einzigartigen Charakter der Gartenstadt Tulln: die Internationale Gartenbaumesse und DIE GARTEN TULLN, das grüne und florierende Stadtbild (an dem maßgeblich die Tullner BürgerInnen beteiligt sind), der naturnahe Lebensraum an der Donau und die Konzentration fachspezifischer Forschungs- und Lehreinrichtungen in der Region.

Vom Tullner Blumenkorso zum internationalen grünen Kompetenzzentrum

Der europaweite Ruf Tullns als Gartenstadt nahm 1953 mit dem ersten Blumenfest seinen Ausgang. 45 TeilnehmerInnen präsentierten damals beim Blumenkorso ihre geschmückten Fahrzeuge – vom Motorrad über den VW-Käfer zum Traktor. Eine Idee, die von Tullner Gärtnerbetrieben getragen und 1954 um eine Blumenschau erweitert wurde. Sie bildete die Basis für das Format einer Gartenbaumesse, die 1965 als 1. Österreichische Gartenbaumesse stattfand und in den 1980er-Jahren internationales Profil erreichte.

Mit der Expansion wuchs auch der Platzbedarf und 1967 wurde das Tullner Messegelände mit der ersten Halle – noch aus Holz – errichtet. Schon 1969 wurde es mit der Donauhalle weiter ausgebaut und 1978 kam die Jubiläumshalle, 2006 die Niederösterreich-Halle hinzu. Die 2015 eröffnete Messehalle 3 bildet mit 6 500 qm Fläche die größte Messehalle Österreichs.

Heute bespielen an die 530 Aussteller bei ca. 11 Messen jährlich eine Fläche von 85 000 qm, wobei die Internationale Gartenbaumesse noch immer das Highlight des Messejahres und ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor der Stadt ist. Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Gartenstadt war die Ausrichtung der Landesgartenschau 2008 mit der Errichtung der GARTEN TULLN. Ursprünglich für 10 Jahre angedacht, fiel bald die Entscheidung, den Besuchermagneten zur Dauerausstellung zu machen. Rund 230.000 Gäste werden pro Jahr gezählt.

2015 siedelte auch die Aktion „Natur im Garten“ ihre Zentrale in Tulln an. Die niederösterreichische Initiative wurde 1999 gegründet und steht mit den Kernkriterien des Gärtnerns ohne Kunstdünger, Pestizide und Torf für naturnahes und ökologisches „Garteln“. Durch die Verbindung dieser Einrichtungen mit der großen Zahl an Gartenbauunternehmen in der Region sowie den biologischen und technologischen Forschungs- und Lehreinrichtungen hat sich Tulln zum größten grünen Kompetenzzentrum Österreichs entwickelt.
 

Vom florierenden Stadtbild zur ausgezeichneten Lebensqualität

Der Blumenkorso und die Gartenbaumesse waren auch ein Bekenntnis zu mehr Grünraum und attraktiver floraler Gestaltung im Stadtbild. Die Stadtverwaltung formte über die Jahrzehnte durch die Gestaltung von Plätzen und Straßen mit Grüninseln, Blumenbeeten, Baumalleen und Wasserspielen die heutige Gartenstadt Tulln.

Die Neugestaltung des Sparkassenparks 1955 steht am Beginn der gezielten Grünraumgestaltung. 1976 wurde die Nußallee neu angelegt und 1977 die Zentallee ausgebaut. Auch der Stadtpark 1979 und die Umwandlung des Stadtgrabens zu einer grünen Zone 1983 waren Projektschritte in der konsequenten Realisierung einer „Gartenstadt“. Die Maßnahmen waren Teil eines in den 1980er-Jahren als verbindliche Leitlinie formulierten und bis heute gültigen Konzepts, das die Grünplanung mit der Infrastruktur als gleichwertigen Bestandteil der Stadtentwicklung festschrieb. Auch bei der 1988 adaptierten Rudolfstraße, der 1989 erneuerten Wiener Straße und der Gestaltung des Rathausplatzes kamen diese Richtlinien zum Tragen. 1991 wurden in diesem Sinne der Bezirksbrunnen errichtet und das Aussehen des Hauptplatzes adaptiert. Die zeitgleich begonnene, verstärkte Einrichtung von Kreisverkehren statt ampel- oder ungeregelten Kreuzungen zielte nicht nur auf eine Verbesserung der Verkehrssituation, sondern auch auf eine grünere Gestaltung der Verkehrsflächen ab. Das Motto lautete: „Blumen und Wasser, anstatt Beton und Neon-Beleuchtung!“ Die Eröffnung des Einkaufszentrums „Rosenarcade“ 2007, der Bau der Tiefgarage und die großflächige Umgestaltung des Hauptplatzes bis 2009 knüpften an die Gartenstadt-Devise an und verwirklichten die politische Vision eines autofreien Stadt- und Einkaufszentrums mit Gastgärten, Grünflächen und attraktivem Blumenschmuck.

Eine tragende Stütze der städtischen Planungen ist die Einbeziehung der Bevölkerung. Schon seit den 1950er-Jahren wird nicht nur dazu aufgerufen, Häuser und Gärten mit Blumen zu gestalten, sondern dies auch aktiv unterstützt. Die BürgerInnen tragen bei diversen Aktionen und Wettbewerben ihren persönlichen Teil zur floralen Gestaltung der Stadt bei. Diese Bemühungen sind preisgekrönt: Tulln ist eine „Blumenstadt“, eine „Stadt der Bäume“, ist wiederholter Sieger bei internationalen und nationalen Blumenwettbewerben (2 x „Schönste Blumenstadt Europas“/Gold bei der Entente Florale 2001 und 2008, Silber 1994), ist ausgewiesen „fußgänger- und fahrradfreundlich“ und führt das Prädikat „lebens- und liebenswert“.
 

Die Donau als städtischer Lebensraum

Noch bis in die 1980er-Jahre bedrohte die Donau immer wieder durch Hochwasser die Stadt. Mit Dämmen wurde eine schützende Grenze gezogen, die jedoch die Gefahr nicht vollständig bannen konnte. In den Jahren 1954 und 1965 drohten die Dämme nach wochenlangem starken Regen zu brechen, 1981 konnte beim „Kleinen Hochwasser“ das Schlimmste abgewehrt werden.

Der Ausbau des Hochwasserschutzes wurde zu einem Leitgedanken der städtebaulichen Entwicklung und machte auch eine stärkere Freizeitnutzung der Donauauen und -ufer möglich. 1979 wurde z.B. zwischen dem rechten Donauufer und der Kleinen Tulln das Aubad mit einem 50 000 qm großen Badesee eröffnet. Vor allem die Regulierungen des Donauverlaufes im Zuge der Errichtung des Kraftwerks Greifenstein in den 1980er-Jahren brachten mehr Sicherheit. Manche bestehenden Dämme wurden dadurch funktionslos und konnten rückgebaut werden, um eine naturnahe Gliederung und Bepflanzung des Ufers und ein Augebiet zu schaffen. Der neu aufgeschüttete Schutzdamm entlang des Stadtzentrums ermöglichte die Neugestaltung des Uferbereiches zu einem weitläufigen Naherholungsraum der Stadt. Seit 1984 bringt die attraktiv gestaltete Donaulände mit dem Donaubrunnen und dem hier verlaufenden internationalen Donauradweg auch eine größere touristische Nutzung.

Bereits in den 1950er-Jahren wurde für Veranstaltungen eine temporäre Bühne am Wasser errichtet. In den 1980er-Jahren wurde eine schwimmende Plattform installiert und 1999 eröffnete die Donaubühne in ihrer heutigen Form, auf der regelmäßig Open-Air-Konzerte stattfinden und die heute im kulturellen Mittelpunkt des Tullner Sommers steht.

Heute wird die Donau mit ihren Wasserlandschaften nicht mehr als Bedrohung, sondern als integrales Element der Gartenstadt, als Naherholungsraum und städitscher Lebensraum verstanden. 450 000 qm Augebiet und das 300 000 qm große Aubad bilden dessen Herzstück.
 

Vom ökologischen Bewusstsein zur innovativen Vorzeigestadt

Die 1960er- und 70er-Jahre waren in ganz Europa geprägt von der Diskussion um die Umweltverträglichkeit der Energieerzeugung. Tulln bezog schon früh eine ökologische Position. Das zeigte sich nicht nur in vorausschauenden Planungen von umweltfreundlichen kommunalen Infrastruktureinrichtungen und dem wiederholten Einwirken auf Industriebetriebe zur Erhöhung der Umweltverträglichkeit.

Ausdruck davon ist auch der Protest gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf, anlässlich dessen am 12. Juni 1977 der „Marsch nach Zwentendorf“ stattfand. In den 1980er-Jahren waren es die Gründung eines Umweltschutzbeirates, die Interventionen beim Kraftwerksbau Greifenstein, die Errichtung einer vollbiologischen Kläranlage und die Durchsetzung gesundheitssichernder Maßnahmen beim Kohlekraftwerk Dürnrohr. 2001 wurde Tulln Partner des europäischen Vorzeigeprojektes „Zero Emission City“, das sich das Ziel einer hundertprozentigen Abdeckung des städtischen Energiebedarfes durch nachwachsende Rohstoffe setzte.

Die Errichtung von Ausbildungs- und Forschungsstätten auf dem Sektor Garten, Ökologie und (Agrar-)Biotechnologie ab den 1990er-Jahren und deren weiterer Ausbau bis in die Gegenwart machten Tulln zu einem Zentrum der Innovation – heute gebündelt in Form des Campus Tulln Technopol. Den Beginn machte das bereits 1988 initiierte und 1994 eröffnete Interuniversitäre Department für Agrarbiotechnologie (IFA-Tulln), ein gemeinsames Projekt der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), der Technischen Universität Wien (TU) und der Veterinärmedizinischen Universität Wien (VetMed). Bis heute wuchs der „Campus Tulln“ um die Institution der Fachhochschule (2002), dem Technologie- und Forschungszentrum (TZT) (2005) und dem Universitäts- und Forschungszentrum (UFT) am Technopol Tulln (2011). Damit hat sich die Stadt zu einem international bedeutenden Biotech-Standort entwickelt. Zugleich stützt die gezielte Ansiedlung von Betrieben mit Fachbezug (Techno-Park Tulln) und die dadurch entstehende übergreifende Verbindung von Lehre, Forschung und Wirtschaft gleichermaßen die Innovationskraft des Standortes Tulln wie sie auch Arbeitsplätze in der Region schafft.

Für ihre Investitionen wurde die Stadt Tulln mit internationaler Anerkennung und einer Vielzahl an Preisen bedacht, u. a. dem „International Award for Liveable Communities“ (Bronze und Silber, 2004 und 2009), dem Hans Czettel-Preis für Umwelt und Naturschutz (2007 und 2013), mit dem „Climate Star“ (2014) und dem Österreichischen Bodenschutzpreis (2014).

Eine Auflistung aller Preise und Auszeichnungen in den verschiedensten Themenbereichen finden Sie hier.